«Operationen sind meist nicht das grösste Problem»

Ein schwerer angeborener Herzfehler belastet den ganzen Körper. Prof. Bea Latal arbeitet und forscht am Zürcher Kinderspital und erklärt, weshalb besonders das Gehirn mitbetroffen ist.

Aktualisiert am 29. Januar 2024
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Prof. Bea Latal ist Entwicklungspädiaterin. Die Schweizerische Herzstiftung unterstützte mehrere ihrer Forschungsprojekte, in denen sie den Einfluss schwerer angeborener Herzfehler auf die Hirnentwicklung untersuchte.

Wie macht sich ein schwerer Herzfehler im Alltag von Kindern körperlich bemerkbar?
Prof. Bea Latal:
Fast alle betroffenen Kinder können Sport treiben. Bewegung ist sehr wichtig für sie. Sie sind aber oft weniger schnell sowie rascher erschöpft und müde als Gleichaltrige.

Was läuft sonst noch anders?
Häufig beobachten wir, dass die frühe motorische Entwicklung, also das Sitzen, Aufstehen, Laufen, langsamer erfolgt als normal. Auch die Denkleistung und das Verhalten können beeinträchtigt sein. Dass die Hirnfunktionen mit dem Herzen zusammenhängen, ist für viele zunächst nicht verständlich.

Weshalb kann das Gehirn betroffen sein?
Ein schwerer Herzfehler führt dazu, dass das Blut anders fliesst und das Gehirn schlechter durchblutet wird. Dies geschieht bereits im Mutterleib. Besonders im letzten Drittel der Schwangerschaft, wenn das Gehirn besonders viel Energie braucht, wächst und entwickelt es sich weniger schnell im Vergleich zum gesunden Kind. Nach der Geburt kann der tiefere Sauerstoffgehalt im Blut das Gehirn zusätzlich verletzen. Mögliche Folgen sind Entwicklungsstörungen, die oft nicht mehr ganz aufgeholt werden.

Haben die Operationen einen Einfluss?
Alle unsere Studien zeigen, dass Operationen wenige oder gar keine Schäden mit sich bringen. Dies ist sicherlich eine direkte Folge der grossen Fortschritte in der Medizintechnologie.

Welche Probleme können für das betroffene Kind entstehen?
Von den Eltern höre ich häufig, dass das Kind die Hausaufgaben vergisst, nicht weiss, wann Prüfungen sind, Sachen nicht nach Hause bringt. Das sind Probleme in den sogenannten Exekutivfunktionen. Beim ADHS kommen Konzentrationsschwierigkeiten und Impulsivität hinzu.

Was unternimmt man dagegen?
Physiotherapie hilft bei motorischen Schwierigkeiten. Bei Problemen in der Denkleistung braucht es schulische Frühförderung. Ein ADHS muss zuerst sorgfältig abgeklärt werden. Nach einer Diagnose empfehlen wir pädagogische Massnahmen und bieten psychologische Begleitung an. Zusätzlich können auch Medikamente helfen.