«Diese Ernährung überzeugt mich voll»

Prof. Peter E. Ballmer ist Schweizer Pionier in der mediterranen Ernährung. Im Interview erklärt er, was die Mittelmeerküche so interessant für unsere Gesundheit macht, und verrät, dass er sich selbst nicht immer daran hält.

Aktualisiert am 29. Januar 2024
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Prof. Peter E. Ballmer war vor der Pensionierung 22 Jahre am Kantonsspital Winterthur als Chefarzt und Leiter der Klinik für Innere Medizin tätig. Die gesunde Ernährung beschäftigt ihn seit seinen Anfangszeiten als Spitalarzt. Er zählt zu den ersten, welche die Mittelmeerküche in der Schweiz bekanntgemacht haben. Trotz der Pensionierung befindet sich Prof. Ballmer nicht im Ruhestand. Die Stellvertretung in einer Klinik und einer Hausarztpraxis halten ihn beschäftigt. An einem freien Morgen empfängt er uns bei sich zu Hause für das Interview. Den Kaffee serviert er mit einem Stück Schokolade und einem Freiburger Bretzeli. Die Schoggi enthalte Pistazien, das sei gesund, sagt er und schmunzelt dabei.

Herr Prof. Ballmer, was haben Sie heute gefrühstückt?
Prof. Peter E. Ballmer:
Nicht viel, einen Kaffee und etwas Süsses.

Es gibt den Spruch, am Morgen sollte man essen wie ein Kaiser, am Mittag wie ein König und am Abend wie ein Bettler. Was halten Sie davon?
Am Abend sollte man nicht schwer essen, das macht Sinn, sonst schläft man schlecht. Im Übrigen halte ich nicht viel davon. Wichtig ist, dass die tägliche Kalorienzufuhr im gesunden Rahmen bleibt und man pro Mahlzeit etwa 20 bis 30 Gramm Eiweiss zu sich nimmt.

Beim Thema Ernährung werden heute alle zu Expert*innen. Erleben Sie dies auch so?
Ja, immer wieder. Wenn ich Herzinfarktpatientinnen und -patienten sage, sie sollten sich mediterran ernähren, antworten sie mir: «Das mache ich schon, ich brauche immer Olivenöl.» Ein vertieftes Wissen fehlt dann aber oft.

Neben Ihnen als Ernährungsmediziner gibt es auch viele Ernährungsgurus. Wie unterscheiden Sie sich von diesen?
Wir Ernährungsmediziner sagen nur Dinge, wofür wir eine wissenschaftliche Evidenz haben. Die finden wir in Ernährungsstudien. Ein Meilenstein ist die Lyon-Herz-Studie aus den 1990er-Jahren. Dort wurde die eine Hälfte der Teilnehmenden nach einem Herzinfarkt herkömmlich behandelt, die andere zusätzlich mit mediterraner Ernährung. Die zweite Gruppe hatte eine markant tiefere Sterblichkeit. Diese und weitere Studien überzeugten mich von dieser Ernährungsweise.

Die mediterrane Ernährung, wir haben es bereits vernommen, beeindruckt Sie sehr. Weshalb?
Sie ist lustvoll, gesund und vor allem gut durchführbar, weil sie unseren Ernährungsgewohnheiten sehr nahe ist. Ende 1990er-Jahre führten wir diese im Kantonsspital Winterthur bei Herzinfarktpatientinnen und -patienten als Sekundärprävention ein. Das hatte damals einen grossen Hype ausgelöst, sogar das deutsche Fernsehen berichtete über uns.

Sie haben mal geschrieben, dass damit nicht Pizza und Pasta gemeint sei.
Genau. Mediterrane Ernährung ist die einfache Küche der Länder des Mittelmeerraums, also Griechenland, Türkei, Libanon, Italien und Spanien. Die Ernährung ist reich an Gemüse und Obst, kommt mit wenig Fleisch aus und wenn, dann wird vor allem mit Hühnerfleisch gekocht. Man verwendet viel Pflanzenöl, speziell Olivenöl. In der Schweiz brauchen wir auch Rapsöl, darin ist Alpha-Linolensäure enthalten, die zu den Omega-3-Fettsäuren gehört. Zum Anbraten sollte man unbedingt High-Oleic-Öle benutzen.

«Die mediterrane Ernährung ist die einfache Küche der Länder am Mittelmeer»

Weshalb hat diese Küche einen positiven Effekt auf unseren Körper?
Sie wirkt antioxidativ. Wir alle werden alt und sterben, weil wir immer «ranziger», das heisst oxidierter, werden. Die antioxidativen Mechanismen wirken dem entgegen. Man hat früher versucht, diesen Effekt mit Tabletten, zum Beispiel mit Vitaminen, zu erzeugen. Das hat aber alles nicht funktioniert. Eine Wirkung konnten wir nie nachweisen. Es braucht den ganzheitlichen Ansatz der mediterranen Ernährung.

Und weshalb schützt sie Gefässe und Herz?
Weil sie antientzündlich und antithrombotisch wirkt. Entzündungen in den Gefässen und die Entstehung von Blutgerinnseln sind die beiden Hauptmechanismen, die zu kardiovaskulären Erkrankungen führen. Die mediterrane Ernährung bremst diese Mechanismen.

Muss man viel Fisch essen?
Gar nicht, auch wenn dies die meisten meinen. Die ursprüngliche mediterrane Ernährung ist nicht fischreich. Die Menschen konnten sich das damals gar nicht leisten. Ausserdem ist häufiger Fischkonsum heute aus Umweltschutzgründen kaum mehr vertretbar. Die Meere sind grösstenteils überfischt. Wenn schon, dann sollten wir Schweizer Fisch oder mindestens MSC-Fische essen.

Sind Fischölkapseln eine sinnvolle Alternative?
Nein. Erstens stammen auch diese von Fischen. Zweitens gibt es keine Evidenz, dass sie wirken. Es ist halt bequem, eine Kapsel zu schlucken und zu meinen, damit sei alles getan. Viel wirksamer ist ein vernünftiger Lebensstil, sich gesund ernähren und sich ausreichend bewegen. Eine halbe Stunde körperliche Aktivität pro Tag gehört immer auch dazu.

Ernähre ich mich als Vegetarier*in gesund?
Vegetarische Kost hat mehrere Vorteile. Die Mahlzeiten müssen allerdings genug Protein enthalten. Man kann nicht einfach das Gleiche kochen und das Fleisch weglassen.

Was macht es so schwer, uns sinnvoll zu ernähren?
Ein grosses Problem ist sicher die grosse Verfügbarkeit von Lebensmitteln. Was im Supermarkt angeboten wird, ist verrückt. Wir müssen immer alles haben, Erdbeeren im Winter, Avocados aus weiss nicht woher. Aus dieser Spirale kommen wir nicht mehr heraus, solange wir es uns noch leisten können.

Eine Folge davon ist, dass wir auch immer schwerer werden.
Übergewicht ist ein riesiges Problem. Es tut mir weh, wenn ich junge Menschen mit einem Body-Mass-Index von 35 sehe. Das bringt man fast nicht mehr weg. Ich merke es an mir selbst, wenn ich ein oder zwei Kilo über meinem Wunschgewicht bin. Auch wenn ich dann anders esse, ist es unglaublich schwierig, wieder davon runterzukommen. Unser Körper verleitet uns immer wieder dazu, noch mehr zu konsumieren.

Was führt bei Ihnen dazu, dass Sie zunehmen?
Ich bin ein Snacker. Pommes Chips und gesalzenen Nüssen kann ich nicht widerstehen. Zwischendurch esse ich auch gerne eine Scheibe Wurst. Dann höre ich von meiner Partnerin, sie ist Ernährungsberaterin und -therapeutin, dass das jetzt überhaupt nicht mediterran sei. 

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