Die Herzschwäche gut behandeln

Die Herzinsuffizienz oder Herzschwäche wird oft verkannt oder vernachlässigt. Dabei seien die Behandlungserfolge gerade bei dieser Krankheit besonders gross und brächten für Betroffene eine enorme Verbesserung der Lebensqualität, sagt Roger Hullin, Herzinsuffizienz-Spezialist am Universitätsspital Lausanne (CHUV).

Aktualisiert am 29. Januar 2024
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Während der Herzinfarkt in aller Munde ist, hört man über die Herzinsuffizienz selten etwas, obwohl rund 200’000 Personen in der Schweiz davon betroffen sind.

Professor Hullin, geht die Herzinsuffizienz vergessen?
Prof. Roger Hullin:
Die Herzin­suffizienz, ich nenne sie auch Herz­muskelschwäche, geht tatsächlich etwas vergessen. Das liegt daran, dass viele Symptome von den Be­troffenen wie auch den behandeln­den Ärztinnen und Ärzten häufig als unvermeidbare Folgen des Älterwerdens gesehen werden.

Die Herzinsuffizienz ist kein Schicksal, das man im Alter einfach hinnehmen muss?
Nein, denn wir können mit den heutigen Therapien die Beschwerden mindern, die Lebensqualität verbessern und das Leben verlängern, sodass Betroffene manchmal sogar die gleiche Lebenserwartung haben wie Nichtbetroffene.

Was schwächt den Herzmuskel?
Häufig ist es ein Herzinfarkt. Je nachdem, wie stark vor allem der linke Herzmuskel geschädigt ist, kann es so­fort oder auch später zu einer Herzinsuffizienz kom­men. Der zweite grosse Risikofaktor ist der Blutdruck. Wenn dieser über Jahre hinweg zu hoch ist, wird der Herzmuskel überlastet und er verändert seine Form. Da­neben können andere Krankheiten oder Fehlbildungen des Herzens zur Herzmuskelschwäche führen.

Mit welchen Folgen?
Die Aufgabe der linken Herzkammer ist, sich mit sauer­stoffreichem Blut zu füllen und dieses mit Muskelkraft in die Hauptschlagader auszuwerfen. Ist der linke Herz­muskel geschädigt, kann das Herz diese Aufgabe nur unvollständig erfüllen. Es genügt den Leistungsanfor­derungen des Körpers nicht mehr, zunächst unter kör­perlicher Belastung, später auch im Ruhezustand.

Wie macht sich das bemerkbar?
Zunächst zeigt sich eine verminderte Leistungsfähig­keit. Betroffene fühlen sich abgeschlagen oder haben keine Lust mehr, Aktivitäten zu unternehmen. Später kommen typische Symptome wie Atemnot, Wassereinlagerungen in den Beinen oder im Bauchraum hinzu. In der Blutuntersuchung sieht man dann auch, dass Orga­ne wie die Leber oder Nieren geschädigt sind.

Weshalb bemerkt man dies lange nicht?
Eine schleichende Leistungseinbusse fällt nicht auf, weil man sich daran gewöhnt. Man kann sie gut mit an­deren Dingen in Verbindung bringen, mit der Arbeitsbe­lastung, dem Stress in der Familie, einem möglichen Vi­rusinfekt oder einer Überlastung im Sport. Erst die bereits genannten Symptome bewegen die Betroffenen dann zur ärztlichen Abklärung.

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Prof. Roger Hullin ist Herzinsuffizienz-Spezialist am Universitätsspital Lausanne (CHUV).

Was passiert, wenn die Herzinsuffizienz nicht oder ungenügend behandelt wird?
Teile des Körpers werden weniger gut durchblutet. Wenn eine Herzmuskelschwäche lange fortbesteht, werden dadurch auch die Organe geschwächt und es kommt in diesen zu einem Funktionsverlust.

Leidet auch das Gehirn darunter?
Ja, ganz klar. Wir wissen, dass Herzinsuffizienz-Patient*innen sich weniger lange konzentrie­ren und weniger gut körperliche Aufgaben erfüllen kön­nen. Sie ermüden rascher und was sie zu leisten imstande sind, liegt deutlich unter dem, was Nichtbe­troffene leisten.

Auch Betroffene mit einem Bürojob haben nicht mehr die gleiche Leistungsfähigkeit?
Mit Sicherheit nicht. Die Konzentrations-­ und Aufmerk­samkeitsfähigkeit sind vermindert. Man kennt das ja selbst bei einer leichten Grippe, bei der man zwar noch am Computer arbeiten kann, sich aber deutlich schwe­rer tut als sonst. So ungefähr ergeht es Herzinsuffizienz­-Betroffenen tagtäglich.

Was ist das Ziel einer Herzinsuffizienz-Behandlung?
Zunächst optimieren wir die Funktion des Herzens für den gesamten Körper. Wir setzen Medikamente ein, um das Zusammenspiel zwischen einem schwachen Herzen, den Organen und dem gesamten Körper zu verbessern. In der Folge kann sich auch ein Herz, das sich in seiner Form verändert hat, zum Teil vollständig normalisieren. Doch dies ist seltener der Fall.

Kann man die Herzinsuffizienz beheben?
Das ist durchaus möglich. Bis zu 25 Prozent der Patien­tinnen und Patienten mit einer eingeschränkten Pumpfunktion der linken Herzkammer können mit einer ent­sprechenden Behandlung wieder eine weitgehend normale Funktion erreichen.

Sind neben Medikamenten auch Eingriffe vorgesehen?
Je nach Erkrankung, die im Zusammenhang mit der Herzinsuffizienz steht, setzen wir verschiedene Therapien ein. Bei einer koronaren Herzerkrankung können Stents oder Bypässe den Blutfluss sicherstellen und die Herzfunktion verbessern. Undichte Herzklappen, wie sie bei einer Herzinsuffizienz häufig vorkommen, können durch Eingriffe ersetzt oder so behandelt wer­den, dass sie besser schliessen.

Wann kommen Herzschrittmacher zum Einsatz?
Schrittmacher, insbesondere eine kardiale Resynchroni­sationstherapie, können bei einer schweren Herzin­suffizienz die schlechte Zusammenarbeit zwischen ein­zelnen Teilen des Herzmuskels weitgehend korrigieren. Man muss sich das so vorstellen: Um das Blut optimal aus einer Herzkammer auszupressen, muss der Herz­muskel von allen Seiten gleichmässig drücken. Beteili­gen sich nicht alle Wände gleichzeitig, funktioniert das Pressen zwar noch, ist aber nicht sehr effizient. Eine Resynchronisationstherapie hilft, die Koordinationsprobleme zu beheben und die Herzfunktion zu verbessern.

Was verbessert die Prognose einer Herzinsuffizienz?
An erster Stelle natürlich die Diagnose, sie erst ermög­licht die Behandlung. Dann sollten bei einer Behand­lung die Richtlinien, die 2021 erneuert worden sind, un­bedingt berücksichtigt werden. Drittens sollten Patientinnen und Patienten verstehen, weshalb sie die Therapien erhalten. Das ist für Herzinsuffizienz-Patient*innen nicht immer einfach, weil sie oft sehr viele Medikamente einnehmen müssen.

Gibt es neue Therapien?
Die SGLT2­-Hemmer sind eine Erfolgsgeschichte. Es sind neue Medikamente, die ursprünglich gegen Diabetes eingesetzt wurden und dann unerwartet eine wichtige Rolle in der Herzinsuffizienz-­Therapie spielten. Mittlerweile haben wir einen sicheren Hinweis, dass diese Medikamente bei allen Herzinsuffizienz-Patient*innen wirken.

Wie steht es mit den Herzunterstützungs-Systemen, auch Herzpumpen genannt?
Diese werden einen immer wichtigeren Platz einneh­men. Wir setzen sie bei den Patientinnen und Patienten mit einer schweren Herzinsuffizienz ein, die aufgrund des Alters oder aus medizinischen Gründen nicht für eine Herztransplantation infrage kommen. Ein Herzun­terstützungs-System ist eine einschneidende Therapie, die nicht alle in den Alltag einbauen können. Jedoch haben viele Betroffene dank dieser sehr wirksamen Therapie jahrelang eine sehr gute Lebensqualität. Herz­pumpen stellen daher heutzutage eine sehr gute Alter­native zur Herztransplantation dar.

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