Dem Rätsel der Arteriosklerose auf der Spur
In zwei von der Herzstiftung unterstützten Projekten suchen Forschende nach neuen Behandlungsansätzen, um Gefässe vor Arteriosklerose zu schützen.
Gefässveränderungen im menschlichen Körper beobachtete man schon in der Antike. Anfang des 20. Jahrhunderts fanden Forschende bereits in einbalsamierten ägyptischen Mumien Arteriosklerose in allen Stadien vor. Die Krankheit begleitet die Menschen also seit tausenden von Jahren. Aber worum handelt es sich dabei, was liegt dem Veränderungsprozess zugrunde?
In den letzten hundert Jahren intensivierte sich die Forschungstätigkeit, nicht zuletzt deshalb, weil die Arteriosklerose sich zu einer Volkskrankheit entwickelte. Dabei tauchten zahlreiche Fragen und Thesen auf: Sind es Reaktionen auf Druckveränderungen, welche die Arterien verdicken lassen? Oder verursachen Entzündungsprozesse die Verengungen der Gefässe? Sind die Fettablagerungen das Hauptproblem oder die Gerinnsel? An welcher Stelle im Gefäss werden die Krankheitsprozesse ausgelöst?
Heute geht man davon aus, dass die Arteriosklerose die Folge einer Immunabwehr des Körpers ist, die auf einer Schädigung des Endothels folgt, also der Zellschicht, die den Hohlraum des Gefässes auskleidet. Die dadurch angestossenen Entzündungsprozesse verändern die betroffenen Gefässe zunehmend. In der Innenschicht, der Intima, lagern sich Blutfette, Entzündungs- und Muskelzellen ein, verändern sich und bilden sogenannte Plaques, also Pölsterchen.
Diese Pölsterchen wachsen in Richtung Hohlraum und verengen das Gefäss. Mit der Zeit können sie an Stabilität verlieren und in den Blutstrom einreissen, was die Bildung von Blutgerinnseln verursacht und zum befürchteten Gefässverschluss führt. Noch sind die Krankheitsprozesse auf zellulärer und molekularer Ebene nicht restlos geklärt. Um künftig die Ursache der Arteriosklerose noch besser behandeln zu können und nicht nur ihre Begleiterscheinung, ist daher dringend weitere Forschung nötig.
Was führt zur Instabilität der Plaques?
Nicht alle Verengungen in den Arterien neigen im gleichen Ausmass zum Aufreissen und dadurch zur gefährlichen Gerinnselbildung. Gewisse Plaques bleiben dauerhaft stabil, andere verändern sich und verlieren ihre Stabilität. Doch welche Prozesse liegen dem zugrunde? Das von der Schweizerischen Herzstiftung unterstützte Projekt Wirkung von Colchicin auf die NLRP3-Inflammasom-Aktivierung in vaskulären glatten Muskelzellen – Phänotypwechsel und Schaumzellenbildung bei Atherosklerose unter der Leitung von Prof. François Mach in Genf will dies genauer erforschen.
Ein Augenmerk liegt dabei auf den glatten Muskelzellen der Gefässwände. Diese wandern bei einer Arteriosklerose in die Gefässinnenwand, vermehren sich dort und bilden über den Plaques fibröse Kappen. Dadurch haben sie einerseits eine stabilisierende Funktion. Andererseits können sie sich aber in Schaumzellen umwandeln und die Plaquebildung weiter vorantreiben. In diesem Fall führen sie zu einer weiteren Instabilität. Was diese Umwandlung verursacht, ist noch nicht bekannt. Im Verdacht steht das Inflammasom NLRP3. Sollte ein Zusammenhang bestehen, könnte eine gezielte Therapie mit Antikörpern, welche Inflammasome hemmen, in Zukunft die destabilisierenden Prozesse in unseren Gefässen verhindern.
Was schützt Gefässe vor der Arteriosklerose?
Nicht in allen Gefässen entwickelt sich eine Arteriosklerose. Besonders anfällig sind die Herzkranzgefässe, die hirnversorgenden Arterien und die Arterien der Beine. Hingegen entwickelt die Brustwandarterie keine Arteriosklerose. Dies macht sie äusserst interessant. Sie wird seit längerem für die Bypassoperation als Überbrückungsgefäss verwendet. Offenbar verfügt sie über Mechanismen, die sie vor arteriosklerotischen Veränderungen schützt. Dem will das von der Schweizerischen Herzstiftung unterstützte Projekt Die Arteria mammaria interna und Atherosklerose – Die Suche nach dem athero-protektiven Genexpressionsprofil unter der Leitung von Prof.Thomas F. Lüscher in Zürich nachgehen. Wenn biologische Funktionen verhindern, dass sich in gewissen Arterien Plaques bilden, so müssten diese auf der Ebene der Genexpression sichtbar werden. Dazu vergleichen die Forschenden mittels RNA-Sequenzierung die Genexpression der menschlichen Brustwand- und Herzkranzarterie. Das Aufspüren solcher unterschiedlicher Genexpressionen hilft, die molekularen Prozesse der Arteriosklerose besser zu verstehen und neue schützende Gene gegen die koronare Herzkrankheit zu finden, was schliesslich zu neuen Behandlungsansätzen führt.