Blutfette unter die Lupe nehmen

Zu viel LDL-Cholesterin gilt als eine der grössten Gefahren für unser Herz und unsere Gefässe. Weshalb dies so ist und was man dagegen tun kann, haben wir bei der Arteriosklerose-Expertin Prof. Isabella Sudano nachgefragt.

Aktualisiert am 29. Januar 2024
Header Blutfette Mag web

Ums Cholesterin entfachen viele Diskussionen. Gefährlich oder nicht? Behandeln oder sein lassen? Die andauernde Auseinandersetzung verwundert Prof. Isabella Sudano immer wieder. «Beim Bluthochdruck oder Diabetes haben wir solche Diskussionen interessanterweise nicht», sagt die Spezialistin für kardiovaskuläre Risikofaktoren am Universitätsspital Zürich. Dabei hat man mittlerweile sehr gute Daten. Im Scheinwerferlicht steht das LDL-Cholesterin, das man auch das schlechte oder böse Cholesterin nennt. Menschen, die aufgrund eines Gendefekts kaum LDL-Cholesterin im Blut haben, haben ein tiefes Herz-Kreislauf-Risiko. Umgekehrt ist es bei Menschen, die wegen einer Erbkrankheit sehr hohe LDL-Cholesterin-Werte aufweisen: Hier steigt das Risiko stark an. «Wir können also klar sagen, dass mit dem Anstieg des LDL-Werts im Blut auch das Risiko steigt, einen Herzinfarkt zu erleiden», sagt Sudano.

Schädigung der Arterien
Cholesterin
ist ein für den Körper notwendiges Blutfett. Da Fett im Blut nicht löslich ist, braucht es für den Transport eine Art Container. Diese Container heissen Lipoproteine. Wenn Cholesterin zu den Zellen im Körper transportiert wird, handelt es sich um Low-Densitiy-Lipoproteine, man spricht vom LDL-Cholesterin. Überschüssiges Cholesterin, das vom Körper zum Abbau in die Leber zurücktransportiert wird, ist in High-Density-Lipoproteinen gepackt. Man spricht vom HDL-Cholesterin, auch gutes Cholesterin genannt. Hat es nun zu viel LDL-Cholesterin im Blut, beginnt es sich in den Arterienwänden abzulagern. Es entsteht eine Arteriosklerose. Die Ablagerungen, Plaques genannt, verdicken die Innenwand der Gefässe, fördern Entzündungen, schädigen und können, wenn sie einreissen, zu lebensgefährlichen Blutgerinnseln führen. Eine vorbeugende Behandlung hilft, die Gefässe zu schonen und Schlimmeres zu verhindern.

Viele Wirkstoffe zur Behandlung
Bei der Cholesterin-Behandlung wird nicht nur der gemessene Wert berücksichtigt. Es zählt das Gesamtrisiko. Das heisst, man schaut auch auf andere Faktoren, die einen Hinweis darauf liefern, wie stark die Gefässe bereits geschädigt sind: Bluthochdruck, Tabakkonsum, Diabetes, einen erlebten Herzinfarkt und so weiter. Und jetzt wird es noch komplizierter: Je höher das Risiko, desto früher und tiefer wird das LDL-Cholesterin gesenkt. «Denn bei bereits angegriffenen Gefässen reicht schon relativ wenig LDL-Cholesterin aus, um die Gefässe weiter zu schädigen», sagt Isabella Sudano.

Zur Cholesterin-Behandlung kommen Statine zum Einsatz. Sie hemmen die Produktion von Cholesterin in der Leber. Statine sind ein weiterer Anlass für Diskussionen, denn sie haben nicht den besten Ruf. Dabei habe man auch hiermit jahrzehntelange Erfahrung, erklärt Sudano, die Wirkung auf das LDL-Cholesterin, die Gefässe, auf bestehende Plaques seien sehr positiv. Statine senken das Risiko, einen Herzinfarkt oder Hirnschlag zu erleiden. Die Kehrseite sind die Nebenwirkungen. Gewisse Patient*innen erleben Muskelschmerzen. «Das ist jedoch eher selten und manchmal auch dem Nocebo-Effekt zuzuschreiben», sagt Sudano. Damit meint sie, dass Nebenwirkungen deshalb eintreffen, weil man sie erwartet. In ihrer Lipidsprechstunde am Universitätsspital Zürich setzt Sudano bei Beschwerden das Statin ab und verschreibt, wenn diese abgeklungen sind, ein anderes. Besteht eine generelle Unverträglichkeit gegenüber Statinen, gibt es heute eine Reihe weiterer Wirkstoffe, die das LDL-Cholesterin über andere Wege im Körper reduzieren.

Wann ältere Menschen behandeln?
Bei einer bestehenden kardiovaskulären Erkrankung, beispielsweise nach einem Herzinfarkt oder bei Durchblutungsstörungen der Beine (PAVK), ist die Cholesterinsenkung auch im hohen Alter unumstritten. Fraglich bleibt jedoch, ob erhöhtes LDL-Cholesterin auch bei älteren, gesunden Personen behandelt werden soll. Die Schweizerische Gesellschaft für Allgemeinmedizin SGAIM empfiehlt für gesunde Patient*innen über 75 Jahren keine LDL-Messung mehr, weil einige Studien aufzeigen, dass in diesem Fall eine Behandlung keinen Nutzen mehr bringt. Isabella Sudano und die Arteriosklerose-Vereinigung AGLA finden diese Empfehlung zu pauschal. Es gebe durchaus ältere Personen, die von einer Behandlung profitierten. Den Entscheid zur Cholesterinsenkung sollten Ärzt*innen von Fall zu Fall gemeinsam mit den Patient*innen fällen.

1 054 Cholesterin DE 2022
Shop und Download

Broschüre zur Cholesterinbehandlung

Ist Ihr Cholesterinspiegel zu hoch? Die Broschüre «Zu viel Cholesterin im Blut – was nun?» erklärt, wie Blutfette das Herz-Kreislauf-Risiko beeinflussen und was Sie dagegen tun können. Dazu gehören eine herzgesunde Lebensweise und oft auch eine Therapie mit Medikamenten.

Jetzt bestellen